Historische Entwicklung des Tree Engineering

Im Jahr 2002 veröffentlichte Prof. Dr. Claus Mattheck das Buch „Mechanik am Baum“, in welchem erstmals Formeln für eine mathematische Berechnung von Spannungen in vollholzigen und hohlen Bäumen vorgestellt wurden. Diese Veröffentlichung bildete die Basis für die Entwicklung von Tree Engineering.

2007 hielt Dipl. Ind. Des. Martin Zeller eine Vorlesung unter dem Titel „Baumhäuser und Kletterwälder“ im Rahmen des VTA-Spezialseminars am damaligen Forschungszentrum der Universität Karlsruhe, heute Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Es wurden die jeweils stark unterschiedlichen charakteristischen Lasteinträge (überwiegend Vertikalkräfte durch Baumhäuser und überwiegend Horizontalkräfte durch Horizontalverseilung) vorgestellt und miteinander verglichen. Martin Zeller stellte anschließend jeweils dem Lasteintrag entsprechende Anschlagtechniken vor und bezeichnete das als „Tree Engineering“.

Im Jahr 2008 wurde der Begriff „Tree Engineering“ erstmals als Titel für gemeinsame Seminare von Prof. Dr. Claus Mattheck und Dipl. Des. Martin Zeller im Rahmen der Veranstaltungsreihe VTA-Baumbeurteilung (Visual Tree Assessment) gewählt. Zum damaligen Zeitpunkt sprach man offiziell noch von einer mechanischen Abschätzung der statischen Eigenschaften von lebenden Bäumen.

Ab 2009 forschte Martin Zeller am Baumzentrum Kaiserstuhl eigenständig weiter und entwickelte ein Berechnungsmodell für lebende Bäume. Basis für die baumstatische Berechnung ist seitdem die Entnahme einer Holzprobe aus dem ausgewählten Tragbaum und eine sofort anschließende labortechnische Untersuchung des Bohrkernes. Den Bohrkern sofort nach der Entnahme zerstörend zu prüfen ist enorm wichtig, denn nur dann können die Festigkeitswerte des so genannten „grünen Holzes“ zuverlässig ermittelt werden. Eine Verzögerung vor der Prüfung würde die Messergebnisse verfälschen, weil sich diese durch Austrocknung deutlich verändern. Die Messergebnisse und die Ergebnisse der baumstatischen Berechnung werden seitdem in einem so genannten „Tree Engineering Gutachten“ präsentiert.

Seit 2009 werden auf der Basis der im Tree Engineering Gutachten präsentierten Festigkeitswerte individuelle Konstruktionselemente, u. a. die Zeller-Baumschraube, hergestellt. Zielsetzung ist dabei, eine maximale Lasteinleitung in den Tragbaum zu gewährleisten bei gleichzeitig minimalinvasivem Eingriff in die biologische Matrix.

Im Jahr 2009 plante der Baumhaus-Architekt Andreas Wenning ein in neuer Technik aufgehängtes Baumhaus, welches noch im selben Jahr in Riehen (Schweiz) erstellt wurde. Bei der Planung wurde weltweit erstmals berücksichtigt, dass die vier beteiligten Tragbäume nicht in ihrer (für das normale Wachstum erforderlichen) Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden. Im Tree Engineering wurden hierfür weit gespreizte Balkenzangen entwickelt, welche mit einem günstigen Abspannwinkel jeweils an 4 Punkten mittels Zeller-Baumschrauben aufgehängt wurden.

2016 erfolgte ein Meilenstein in der jungen Geschichte des Tree Engineering: erstmals wurde eine Aufhängung für eine technische Anlage geplant und realisiert, welche geeignet war einen Lasteintrag in einen Solitärbaum einzuleiten, welcher deutlich höher ist als das Eigengewicht des Tragbaumes. Es handelte sich um eine doppelte Umreifung für eine Lastaufnahme von 21,3 t, welche an einer Weißtanne mit einem geschätzten Gesamtgewicht in Höhe von 15,6 t zur Aufnahme einer riesigen Baumplattform (Adlerhorst im Nationalpark Schwarzwald) im Jahr 2017 realisiert wurde. Verantwortlicher Tree Engineer war Dipl. Des. Martin Zeller vom Baumzentrum Kaiserstuhl.

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